eine Schleuse bringt uns auf das Niveau von Ter Apel. Hier wird gedreht und gekurbelt und noch richtig Hand angelegt an die Stemmtore.
Ich biege ein in den monströsen Yachthafen von Ter Apel. Zwei riesige Stege mit Fingerstegen ragen in das Becken, etwa 10 Prozent sind belegt. Strom ist gerade mal wieder ausgefallen, hat wohl jemand die Hauptsicherung gekillt. Mit sechs Ampere sind die Liegeplätze nicht gerade großzügig abgesichert - doch man ist zufrieden. Ich drossele meine Stromzufuhr, denn das tolle an meinem Multilader ist ja die Einstellung des maximal zu entnehmenden Stromes. Merkt man gleich: Sobald mein Espresso läuft schaltet das Ladegerät herunter. Den Boiler werde ich erst am Abend zuschalten, nach dem Spülen. Dann ist die Batterie geladen und ich habe morgen heißes Wasser zum Duschen.
Erste Radtour - die Alleen sind einfach wunderschön. Vor allem wenn wie jetzt die Abendsonne durch die Baumreihen scheint. Nicht so schön war die blöde Taube, die mir beim Vorbeifahren voll auf die Jacke geschissen hat - muss ein ziemliches Biest gewesen sein oder sie hatte den ganzen Tag noch nicht richtig kacken können, Verstopfung vielleicht, jedenfalls war die Menge schon beachtlich. Ein kleiner Bernhardiner wäre stolz über diesen Haufen gewesen - okay, ich übertreibe etwas - war aber schon wirklich kein kleiner Vogelschiss, eher ein großer Scheiß!
In Ter Apel kann man auch an der Kade liegen, beide Boote leider unter leeren Backkisten, die Versorgungslast muss aufgefüllt werden. Kann man hier klasse machen, alles fußläufig erreichbar. Wr aber denkt, hier spart man Liegegebühren liegt falsch: Der Hafenmeister kassiert den gleichen Betrag wie im Yachthafen, ohne Strom, ohne Wasser, ohne Müllentsorgung, von Duschen und WC will ich mal ganz schweigen. Das ist irgendwie nicht gerechtfertigt - bringt einen dicken Minus-Punkt für Ter Apel!
Ter Apel ist ein geschäftige Stadt, hinter der "ersten Reihe" am Kanal gibt es eine Parallel-Welt mit all den weniger illustren Geschäften, da sind die Discounter mit den vier Buchstaben und zwei große Vollsortimenter und der Pet-Shop und Spielhallen und so weiter. Auf jeden Fall: Alles da und die Versorgung ist bestens, kein Problem, den Wind hier abzuwettern!
Wie überall wo Deutsche sich in der Vergangenheit umgetan haben auch hier die Erinnerung: An dieser Stelle stand die Synagoge von Ter Apel, der Stein erinnert an die ermordeten Juden aus Ter Apel - wie überall wurden komplette Familien umgebracht. Hier haben die Schicksale konkrete Namen: So der 67jährige Mozes Vrenkel, der mit seiner Frau Grietje de Jong und Sohn Heiman Vrenkel zusammen in Ter Apel lebte. Heiman heiratete wiederum ein Mädchen aus dem Ort, Roosje Tof, mit der er drei Kinder hatte: Johanna (10), Greta (7) und Mozes (3), nach dem Opa benannt - alle sieben ermordet. Neben vielen anderen Familien sind ihre Namen auf dem Stein zu finden. Macht mich immer wieder traurig, egal wo man hinkommt in Europa, überall die Spuren meiner Väter-Generation!
Tja, was mögen sie gedacht haben die Menschen auf der Hoofdstraat in Ter Apel, als aus meinem Boot eine lange Holzstange mit angeklebtem Handy herausragte? Keine Ahnung, nur war das die einzige Möglichkeit, noch eine verlässliche Verbindung über ein deutsches Netz zu bekommen. Seit Tagen will mir mein Mobil-Telefon weißmachen, es müsse nun endlich ein anderes Netz gewählt werden, aber ich bleibe standhaft. Meine Reaktion ist stets gleich: Abbrechen! Immer noch reicht der Empfang via E-Plus für den Versand von Emails aus. Telefonieren ist schon schwieriger, zu viele Unterbrechungen, aber die Datenübertragung klappt immer noch ganz gut. Hier allerdings nur mit kleinen Tricks - daher das Handy als Antenne anderthalb Meter über dem Boot - und schon sind die Mails raus!
Abendstimmung - auch anders in diesem Sommer, so richtige Sonnenauf- und -untergänge fehlen bis jetzt, diese Ereignisse fanden bisher meist bei verhangenem Himmel statt. Daher hier mal so eine Ahnung von Sonnenuntergang...
Morgens starten wir dann - pünktlich um 10 steht unser Mann an der nächsten Brücke und winkt. Wir starten in Richtung Stadskanaal - viele Schleusen und zig Brücken erwarten uns.
Das ist eine von den großen - hier werden wir für ein Verkehrschaos sorgen, denn die Brücke liegt direkt an einem der in Holland so bleibeten Kreisverkehre. Und da durch die hochgeklappte Brücke die wichtigste Ausfahrt gesperrt wird, geht nichts mehr. Alle steht und wartet auf uns! Erst einmal gehen nur die Schranken herunter...
..dann geht sie langsam hoch - schon die enorme Breite ist ein Zeichen für ihre Bedeutung, dabei ist sie dem Wateralmanak noch nicht einmal einen Namen Wert. "Beweegbare Brug" - mehr ist nicht drin.
Von Brücke zu Brücke arbeiten wir uns in Richtung Norden -. hier sind wir schon in Ter Apelkanaal (nicht zu verwechseln mit Ter Apel!), die gigantischen Spaten am Rand sind eine Verbeugung vor den Männern und Frauen, die diese Kanäle und damit diese Landschaft durch Knochenarbeit entstehen ließen.
Pech gehabt: An der Brücke zur Schleuse 6 - die hier einfach 6e verlaat heißt - wird gearbeitet, Schweißblitze flackern auf, wir können nicht festmachen, müssen also im engen Kanal warten, und dass bei dem Wind, es hat nämlich ganz schön aufgefrischt. Vorteil: Mittlerweile haben wir schon viele solcher Momente gemeinsam mitgemacht und jeder weiß, wie der andere mit seinem Boot und dem Problem umgeht - daher gibt es kein richtiges Problem. Man kann sich nicht in den Wind legen, dafür ist der Kanal zu schmal, also muss man sich immer wieder nach Luv bewegen und sich vom Ufer gut freihalten.
Endlich dürfen wir rein - da ein weiteres Boot nachkommt haben wir etwas Zeit, im Unterwasser liegen mehrere Boote, ein kurzes Schwätzchen ist angesagt.
Diese beiden haben sich direkt ans Leitwerk gelegt, das Handrad des Schützes zeigt, dass es da gleich unruhig wird, denn hier ist der Auslauf des Schleusenwassers.
Unser singender Schleusen- und Brückenmeister gibt der Klappbrücke die Sporen - wir haben soviel Zeit verloren durch die Schweißarbeiten, dass der Fahrplan der Männer durcheinander zu kommen droht, also muss es schnell gehen.
Jetzt noch fix das Tor zukurbeln, dann können die Schütze auf...
...und die beiden im Unterwasser kommen mächtig ins Schaukeln, nehmen sie aber ganz locker, vor allem der Skipper, der zunächst einmal die Übersicht behält auf seinem erhöhten Platz und seiner Frau allein die Aufgabe überlässt, das Boot von der Planke fern zu halten. Geschickte Arbeitsteilung ist gut und wichtig!
Wieder geht es nicht weiter, und nix zum Anlegen. Die ERU legt sich an die Kade, da gibt es eine kleine Holzpalisade, ich versuche mein Glück am Leitwerk der Brücke. Links ist der Steg zu sehen, auf dem der Brückenwärter stehen muss, wenn er die Brücke dreht. Wie immer an solchen Stellen ist es eine Fummelei, das Boot so zu fixieren, dass es sich nicht drehen kann und dabei vielleicht an vorspringende Teile des Bauwerkes kommt. Aber es klappt und so habe ich eine ruhige halbe Stunde.
Dann kommt der Grund für die Warterei in Sicht: Man hat aus der Gegenrichtung einen Konvoi herangeführt, hier soll die Begegnung stattfinden. Auf jeden Fall geht es nun weiter.
Die Sonne kommt heraus - gleich sieht die Welt völlig anders aus, die Farben leuchten, das Wasser glitzert und flimmert, man kann wieder die Fenster und Luken öffnen, Luft, Licht, Düfte - alles kommt wieder herein.
Geangelt wird hier überall, vorhin kam ich an einer einsamen Angel vorbei, Schwimmer mitten im Kanal, zum Glück hatte ich Platz und konnte nach Backbord ausweichen. Mutterseelenallein stand sie da am Kanal und ich habe sie natürlich erst im letzten Moment gesehen, so eine dünne Rute ist ja nun kein besonders auffälliges Stück - fehlt eben das Zelt oder der Schirm oder einfach ein Mensch daneben - dann sucht man die Ruten und kann sich darauf einstellen, aber so? Ok, ging gut! Hier gibt es keine Schrecksekunde, diese beiden hier sind gut zu erkennen - man könnte sie sogar in die Karten eintragen...
Bunkerstation in Musselkanaal - ich habe zwar den Tank noch halbvoll, doch wer weiß, wann die nächste günstige Gelegenheit kommt, besser also Diesel bunkern. Mit schmalen 3,3 Liter hat sich die Tremonia pro Stunde begnügt, die Langsamfahrt auf den letzten Kanälen macht sich hier deutlich bemerkbar.
Tja, das ist Holland - für 103 Cent oder wie die Niederländer sagen: "Euro-Cent" - sie hatten ja vorher auch schon einen Cent - einen ganzen Liter weißen Diesel - vor zehn Jahren allerdings wäre auch dieser Preis hier von allen als absolut unwahrscheinlich verlacht worden - so ändern sich die Zeiten!
4e verlaat, das Boot aus Lingen läuft in die Kammer ein. Der Filius weist seinen Vater ein, aufgeweckter Bursche, hat er an der Tankstelle gezeigt, weiß genau, was zu machen ist und findet noch Zeit für hilfsbereite Höflichkeiten "Soll ich Sie kurz abstoßen?" - er lernt es von der Pike auf
Letzte Schleuse vor Stadskanaal - das Hochhaus unübersehbar -dort, im Centrum kann man sehr gut liegen und hat alles direkt in seiner Nähe inkl. Albert Heijn. Hier am 3e verlaat gibt es eine nette kleine Gaststätte: Das Eetcafe ´T Gemaaltje mit Außengastronomie lädt immer wieder zu Eis und anderen Leckereien ein - aber wir müssen ja schleusen, leider keine Zeit!
Stadskanaal, Endstation für heute, hier im Zentrum können wir liegen. Es ist ziemlich voll, fast alle Anleger sind besetzt - da ich aber am nächsten Morgen schon sehr früh los will drückt der Hafenmeister ein bis zwei Augen zu und so kann ich an dem schönen neuen Anleger festmachen. Das ist so ungefähr, als würde man mitten im CentrO anlegen oder in Dortmund an der Kampstraße. Geschäftiges Treiben ringsum, viel zu sehen und alle Geschäfte in Armeslänge vom Boot entfernt. .
Mittendrin an Het Raethuys kann man kostenlos an der Eurobrug liegen, auf der anderen Seite gibt es sogar Strom und wer es braucht kann WC und Duschen direkt an der Brücke benutzen, Schlüssel vom Brückenwärter. Die freuen sich natürlich über eine Spende für ihre Kaffeekasse fürs komfortable Liegen.
Weiter in Richtung Ruiten Aa Kanaal, mein Brückenmeister fährt mit mir durch Stadskanaal, allerdings hat er wohl morgens bei der Dienstbesprechung nicht mitbekommen, dass es eine neue Baustelle gibt - da ist kein Durchkommen.
Und das direkt an der Gasselterbrug - im Klartext, er muss den ganzen weiten Weg zurück, ganz hinten auf der Stationsbrug die Seiten wechseln und wieder in meine Richtung fahren...
Dann über die Gasselterbrug rüber, ein ganzes Stück weiter weil er erst dann die Straße überqueren kann und zurück zum Brückenhäuschen....
...Treppe rauf und rein in den Bedienraum und an die Schalter, Rot-Grün einschalten und dann...
...die Bäume runter. Jetzt muss ich die Kamera aus der Hand legen, denn eins ist klar - dass gibt einen ganz schönen Stau, also schnell durch!
Was habe ich gesagt - wieder das Problem Kreisverkehr - dadurch übertragen sich die Staus wegen einer Brücke auf alle Anschlussstraßen des Kreisverkehrs - ich weiß schon, warum ich in meinem Stadtbezirk immer vehement gegen die Einrichtung von Kreisverkehren bin. Geht nix über eine intelligent geschaltete Ampelkreuzung.