Man glaubt es kaum, aber was dieses Jahr im Emsland geschieht, ist schon etwas Besonderes: Nach über 30 Jahren werden wieder Schiffe am 120 Meter langen Rawe-Anleger in Nordhorn fest machen. Und es sind diesmal keine Kohlefrachter aus dem Ruhrgebiet mit Brennstoff für die Textilfabrik, es sind Sportboote, die hier in etwa 500m Entfernung zum Stadtzentrum anlegen werden.
Wir waren da: 2006 und 2007
Einfahrt in den EVK vom Dortmund-Ems-Kanal bei Hanekenfähr
Die Karte von 1898 zeigt die Situation - sie besteht unverändert auch heute noch. Bei DEK-Kilometer 139,82 direkt hinter der Eisenbahnbrücke zweigt er ab, der Ems-Vechte-Kanal, während der DEK nach Norden weiter läuft und nach links die Ems abzweigt - dort liegt heute das Hotel "Wasserfall" mit Anleger - eine erfreulich gute Küche erwartet hier den Skipper und seine Crew.
Da konnte ich doch nicht widerstehen: Karte von 1898 - Foto: Karl-Heinz Czierpka
Die Eingangsschleuse ist bei normalem Wasserstand geöffnet, das alte Schleusenwärterhaus komplettiert die malerische Szenerie - Januar 2006 - in diesem Jahr wird der Kanal erstmals wieder für die Sportboote geöffnet! Alle Schleusen hier haben nur noch die Funktion des Hochwasserschutzes - Niveauunterschiede gibt es bei normalem Wasserstand keine mehr.
Schleuse und Schleusenwärterhaus im Januar 2006 - bei bitterer Kälte - Foto: K.-H. Czierpka
Gleich hinter der Schleuse die erste Überraschung: Liegeplätze! Der Yacht Club Lingen (Ems) e. V. hat hier seine Anlage. Seit 1972 betreuen die Lingener hier eine mittlerweile 400m lange Steganlage, eine weitere Anlage in der Alten Fahrt des DEK gehölt ebenfalls zum Club.
Auf jeden Fall ist der Yachtclub Lingen eine gute Adresse für die Erkundung des EVK - hier kann man ruhig und schön liegen! Und auch wer die Ems stromauf Richtung Rheine befahren will, findet hier sicher Rat und Tipps. Zu erreichen ist der Club über seine Internet-Seite
Rückblick bei schönem Wetter - Schleuse und DEK - Foto: Yachtclub Lingen
Nach einer jahrelangen Diskussion kann der junge Verein GrafSHIP den ersten großen Erfolg für seine Arbeit verbuchen. GrafSHIP steht für Grafschafter Schiffswege und Häfen-Instandsetzungs Projekt e.V. - der Verein mit dem sperrigen Namen hat sich die Wiedererweckung der Linksemsischen Kanäle auf die Fahnen geschrieben und nun mit dem Ems-Vechte-Kanal EVK den ersten Schritt geschafft.
2004 ging es hier noch nicht weiter - Kotting-Brücke, aber....
2006 wird der EVK erstmals von Mai bis September von Hanekenfähr am Dortmund-Ems-Kanal bis Nordhorn befahrbar sein. 21 Kilometer neue Wasserwege! Dazu musste immerhin eine Drehbrücke wieder hergestellt werden - solide alte Technik - zur Überraschung der Experten war der Drehmechanismus der historischen Kotting-Brücke noch funktionsfähig.
...sie bewegt sich doch - die Kotting-Brücke macht ab 2006 den Weg frei nach Nordhorn
Der NLWKN - Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz - hat als Betreiber der Wasserstraße zudem eine Sandbank entfernen müssen. Die Lee, ein kleines Flüsschen, hatte das Hindernis über die Jahre an ihrer Mündung in den Kanal angehäuft. Wenn man so richtig bei der Wahrheit bleiben will, dann war es eigentlich gar nicht der NLWKN - von dort kamen nur Ponton und Bagger. Und die kamen auch erst, nach dem für die Transportkosten ein Sponsor gefunden war. Und baggern konnte der Bagger nur, weil die Arbeiten von einer örtlichen Baufirma auf eigene Kosten erledigt wurden! Aber immerhin sorgt der NLWKN nun für die Bedienung der Dreh-Brücke, zweimal täglich und das kostenlos für die Skipper! Für den NLWKN kein Neuland, schließlich ist er auch für den Haren-Rütenbrock-Kanal zuständig.
Anleger der ehem. Textilfabrik RAWE - z.Zt. Endpunkt für Boote über 1,50m Höhe
Ganz uneigennützig ist das Engagement der Ämter nicht, die Gutachten sowie die vom Landkreis Grafschaft Bentheim und der Region Twente in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie weisen neben den Kosten auch deutliche Gewinne aus: Neue attraktive Siedlungen am Wasser sowie der Tourismus sollen das Geld schnell wieder in die Kassen spülen. Ab Mai kann man mit Booten bis 1,50 Meter Aufbauhöhe auch weiterfahren - durch die Nordhorner Innenstadt - eine durchaus schöne Strecke. Nordhorn wurde aus strategischen Gründen auf einer Insel gebaut bzw. die Vecht um die Stadt herumgeleitet - bis an das Ufer geht die Bebbauung.
Nordhorn - City-Bereich
Und es kommt noch schöner: Der Vechtsee darf ebenfalls befahren werden, allerdings nur ohne Motorkraft - also eine Tour für das Schlauchboot. Schönes Nordhorn.
Und noch ein Bild aus der City: Da fehlen einem doch glatt die Worte - so ein schönes Ufer und keine Boote (die Geld und Leben in die Stadt bringen würden). Da werden anderen Orts Millionen ausgegeben, um Innenstadtbereiche von Flüssen und Kanälen aufwändig zu gestalten, damit die Boots-Touristen kommen (ich denke hier an die eine oder andere Stadt im Osten unserer Republik) - und hier ist es einfach schön und ein paar kleinere Probleme in der Zufahrt sollen sich da nicht lösen lassen? Das kann doch wohl nicht wahr sein!
Klar ist das nicht einfach: Im Ortskern von Nordhorn etwa gibt es viele niedrige Brücken die erhöht werden müssten, u.a. ist eine vierspurige Straße dabei. Plan B sieht daher einen Umgehungskanal vor - beides wird zur Zeit diskutiert. Denn dann wäre der alte Nino-Hafen auch mit großen Booten erreichbar. Dort hat sich bereits ein Bootsbauer etabliert! Interessant: Das Hafenbecken aus Bentheimer Sandstein wird zur Zeit mit Städtebaufördermitteln wieder hergerichtet, eine Sliprampe entsteht und es gibt deutliche Signale, dass die Stadt umdenkt: Lehnte sie vor Jahren beim Bau der Umgehungsstraße das Angebot einer Kanalbrücke ab (!) und ließ einen Kanalstich lieber zuschütten so wird eine neue Straßenbrücke an anderer Stelle nun gleich mit 3,50 Meter Höhe geplant - das macht eigentlich nur Sinn, wenn man mit Booten darunter durchfahren möchte!
Die alte Grenzschleuse, wie der Name vermuten lässt direkt an der deutsch-niederländischen Grenze
Ein Punkt aber ist allen Beteiligten klar: Bei dem kurzen Stich bis Nordhorn darf es nicht bleiben, so schön der Erfolg auch sein mag, erst die Verbindung über die Vechte mit den Niederlanden bringt den wirklichen Erfolg! Und da tut man sich vor allem bei unseren Nachbarn etwas schwerer - verständlich, in den Niederlanden sind die Kosten und Probleme ungleich höher. Hier hat man ganze Kanalabschnitte zugeschüttet, die Schleusen sind verfallen und zudem fällt jedes Kanalstück in die Entscheidungshoheit der jeweiligen Gemeinde - und die Meinungen dort reichen vom engagierten Ja bis hin zu totaler Ablehung. Zu allem Überfluss haben die Naturschützer sich nun auch noch eingeschaltet - eine schwierige Gemengelage.
Romantisches Kanalende hinter der Grenzschleuse
Unter dem Strich aber gibt es viele, die mit am Tampen ziehen und für die Skipper die große Hoffnung, dass die Kanalvision in nicht allzu langer Zeit Realität wird: Vom DEK über Nordhorn und den Nordhorn-Almelo-Kanal ins IJsselmeer und über Stadskanaal und den Haren-Rütenbrock-Kanal wieder zurück - so ein Rundtörn würde die Attraktivität des Emslandes für den Wassersport enorm steigern! Mit dem jährlichen Bootskorso weist GrafSHIP in diese Zukunft.
Bootskorso auf dem EVK
Wir alle können die Arbeit unterstützen. Für zunächst drei Jahre gilt die Genehmigung zum Befahren des Kanals. Man darf keine ausgefeilte Infrastruktur erwarten, die Öffnungszeiten der Brücke sind eigentlich zu kurz, aber Nordhorn ist ein ideales Ziel für Radfahrer und Familien. Wird die neue alte Wasserstraße gut genutzt so wäre dies ein gutes Argument für den weiteren Ausbau - wir sehen uns in Nordhorn!
Aktuelle Informationen über Öffnungszeiten und Aktionen:
www.graf-ship.de
www.kanalvision
Yachtclub Lingen
www.nlwkn.de
www.nordhorn.de
Die Fotos sind, soweit nicht anders vermerkt, von Horst Dudeck. Vielen Dank!
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